Dieser Beitrag ist die Fortsetzung von Beitrag 44.
Gott oder Gog (der Anführer der Kriegskoalition)? Die Texte in Hes 38+39 können beim ersten Lesen irritieren und uns auf die Idee bringen, dass es allein Gottes Initiative (Plan) sein wird, diesen Nahostkrieg zu lancieren. Demzufolge wäre dann Gott der Schuldige. Aber die Initiative zu diesem Krieg hat zwei Seiten:
Über die eine Seite lesen wir in Hes 38,4–9 an Gog adressiert: «Und ich lenke dich herum und lege Haken in deine Kinnbacken; und ich führe dich heraus und dein ganzes Heer … Rüste dich, und rüste dir alles zu, du und dein ganzes Aufgebot, das zu dir hin aufgeboten ist, und steh mir zur Verfügung! Nach vielen Tagen sollst du aufgeboten werden … auf die Berge Israels». Hier wird Gott als Initiator dieses Krieges beschrieben.
Über die andere Seite lesen wir gleich danach in Hes 38,10–12: «So spricht der HERR, HERR: ‹Und es wird geschehen an jenem Tag, da werden Dinge in deinem Herzen aufsteigen, und du wirst einen bösen Plan schmieden und sagen: Ich will hinaufziehen gegen ein offenes Land, will über die kommen, die sich ruhig verhalten, in Sicherheit wohnen (= Israel) … um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten … gegen ein Volk, das aus den Nationen gesammelt ist …›.» Hier wird die Initiative zu diesem Krieg ganz dem Gog und seiner Kriegskoalition zugeschrieben. Respektive, dass Gog und seine Verbündeten auf das Böse hörend böse Kriegspläne schmieden, um in Israel zu rauben und zu plündern.
Diese beiden Seiten können noch besser am Beispiel von Gottes Agieren mit Pharao verstanden werden: Wir lesen z.B. in 2. Mo 4,21 und 2. Mose 7,13.14, wie Pharao nicht auf Gott hörte, seine eigenen bösen Pläne schmiedete. In denselben Versen lesen wir, wie Gott auf diese Verhärtung Pharaos den Pharao «verstockte» = ihn stumpf machte für Gottes Willen = er wurde «abgestumpft» gegenüber Gottes Willen.
Genau so müssen wir die beiden Seiten in Hes 38+39 verstehen: Es ist der halsstarrige Wille Gogs und seiner Verbündeten, völlig antisemitisch vom Bösen getrieben, die Juden und damit Israel zu vernichten. Und nun überlässt Gott sie (vorläufig) diesem bösen, teuflischen Handeln. Dieses Zulassen Gottes kann in der Bibel sehr aktiv als Handeln Gottes ausformuliert werden in dem Sinn, wie es in Hes 38 ausformuliert ist: Gott zieht sie aktiv an einem Haken in dieses böse Handeln hinein, indem er sie loslässt = indem er sie ihren eigenen, bösen Gedanken und Zielen überlässt. Diese beiden Seiten zusammenzubringen, ist für uns befremdend und nicht so schnell nachvollziehbar: «loslassen» und zugleich «ziehen»? Aber auch wir lassen manchmal z.B. unseren Kindern gegenüber etwas nicht Empfehlenswertes geschehen, lassen sie los, damit sie etwas selbst entdecken und dabei evtl. etwas lernen. Damit «ziehen» wir sie in eine Lernsituation hinein. Zum Beispiel, indem wir einen Streit mit anderen Kindern aktiv «loslassen», den Streit «geschehen lassen», damit sie evtl. danach über sich selbst reflektieren und dabei etwas lernen.
Als Vertiefung: Dieses aktive Loslassen Gottes wird in den folgenden Bibeltexten gut nachvollziehbar beschrieben: Ps 81,11-15 / Spr 1,24-31 / Apg 14,15-17 / Matth 23,37-39 / Luk 19,41-44. Die Bibel spricht in diesem Zusammenhang auch vom «Ausreifen des Bösen»: 1. Mo 15,16 / Amos 8,1-3 / Offb 14,15. Gott lässt aktiv los, damit das Böse selber ausreift = sich selbst als Böse entlarvt.
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